Oh, toll, das Wochenende fängt gut an, dachte ich, als ich Freitagabend auf dem Weg aus der Werkstatt die Treppe hochgefallen bin und mir zum ersten Mal seit 24 Jahren das Knie aufgeschlagen habe. Beim direkt anschließenden Uromi-Besuch musste ich sorgfältig mein blutendes Knie in der hohlen Hand verbergen, damit sie sich in den kommenden Wochen nicht immer telefonisch rückversichern muss, dass das Bein noch dran ist.

Aber was soll ich sagen? Die kommenden zwei Tage wurden richtig gut!

Am Samstag zuckelte ich nämlich nach Marathon-Vorlesen und Mensch-ärgere-dich-nicht-Tournament mit Bollerwagen und zwei charmanten Helfern auf das Sommerfest der Elternschule Eimsbüttel. Spontan as I call it, denn ich wurde erst am Donnerstag von der Leiterin angeprochen, ob ich dort nicht auch meinen Koje-Stand aufschlagen möchte. Aber schließlich muss man auch mal etwas ausser der Reihe machen und das Wetter war sommerfesttauglich, also verbrachten die Jungs drei Stunden auf dem dortigen Skaterplatz und ich am Rand einer sehr grünen Wiese mit ganz entzückenden Standnachbarn zu meiner Linken und einem Admiral, der mehrfach die weiße Koje-Kiste als Landeplatz benutzte.

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Wie war das eigentlich noch einmal mit dem Über-den-Tellerrand-gucken? Am Sonntag habe ich, Asche auf mein Haupt, zum ersten mal in den fast neunzehn Jahren, die ich in Hamburg lebe, den Stadtteil Wilhelmsburg besucht.

Ich neige wie viele andere dazu meinen Kiez selten zu verlassen und höre noch meinen Mann im letzten Winter sagen: „Die Schanze nervt mich, ich fahre mit N. auf ein Bier nach Wilhelmsburg, wir suchen uns da ne neue Stammkneipe!“ Ja, macht mal, dachte ich nur, und musste lächeln, dass die Jungs nun mit der S-Bahn fahren, obwohl man hier ein paar Straßen weiter alle paar Meter über eine Kneipe stolpert.
Das mit der Stammkneipe hat sich übrigens als gar nicht so einfach herausgestellt, aber die beiden laufen dort gerne durch die Straßen und finden, wie man mir berichtete, auch den Bierpreis von 1,40 € ziemlich gut.

Ich habe natürlich, als ich nach Hamburg zog, vom Verfall Wilhelmsburgs gehört und einige Jahre später von den Anstrengungen des Hamburger Senats den gesamten Stadtteil wieder aufzuwerten, was gut gelungen ist, ohne dass das Schreckgespenst Gentrifizierung über allem schwebt. Aber hingefunden habe ich irgendwie trotzdem nicht.

Dieses Wochenende fand 48 h Wilhelmsburg statt, ein Festival der Hamburger Elbinselbewohner für ihre Nachbarschaft. Überall im Viertel traten Bands auf, manchmal auch direkt auf der Straße. Und ich war endlich fällig. Gerade mal 20 Minuten brauchten wir mit dem Auto, um buchstäblich ins Grüne zu fahren. Vom Biergarten ZUM ANLEGER aus wanderten wir kreuz und quer durch den Stadtteil durchs Reiherstieg-Viertel mit seinen schönen alten Gründerzeithäusern hin zur Honigfabrik, am Wasser entlang zu den Zinnwerken vorbei an der Soul Kitchen (jaaaa, logo, im Film gesehen, klar!) bis hin zu einem Flakbunker, der heute ein Sonnenkraftwerk ist und denn man per Aufzug erklimmen kann.  Später dann durch Schrebergärten und mithilfe einer Wilhelmsburgerin wieder querfeldein zwischen Wohnhäusern zurück ans Wasser und zum Auto.

Ich kann euch sagen: Auch ohne Festival einen Abstecher wert, wenn man Hamburg besucht. Ist sehr viel geerdeter als bei uns auf der anderen Seite. Ich habe einen sehr entspannten, ungekünstelten Stadtteil mit freundlichen, unprätentiösen Menschen vorgefunden. Mein Sohn sagte sogar: „Tina, das ist wie Urlaub in Barcelona hier!“ Und DAS ist ein ganz grosses Kompliment! :)

Wilhelmsburg, ich hoffe, dass du es schaffst, so zu bleiben wie du bist. Seit heute hast du zwei Fans mehr.

Gruß aus HH-Eimsbüttel!


Kommentare

Eine Antwort zu „Andere Gefilde”.

  1. […] war da, also haben Frau Nähzimmer und ich sie ergriffen und vorgestern im Stoffdeck in Wilhelmsburg Siebdrucken bei Claudia […]

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