Segelboot – Boot + Nähmaschine = Segeltuchtasche

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Nicht ganz ohne Stolz präsentiere ich Euch heute meine allererste Tasche aus Segeltuch. Habt Ihr damit schon einmal gearbeitet?
Ich sage Euch ehrlich, hätte ich die Auftraggeberin nicht schon vorher gekannt und sie mir nicht versichert, dass ich mich da auch ausprobieren könnte und Segel im Überfluss (ein ganzes!) vorhanden sei, ich hätte den Auftrag nicht angenommen. Mit null Erfahrung in der Verarbeitung von Segeltuch will man keinen Erstkunden vergraulen und womöglich als Dilettantin dastehen! Oder?!

Obwohl mir die Segeltuchtaschen z. B. von 360° sehr wohl ein Begriff sind und ich sie hier in Hamburg auch oft an mir vorüberziehen sehe, habe ich mir über die robuste Beschaffenheit des Materials nie Gedanken gemacht. Bin halt kein Segler.
Als Lisa dann mit diesem riesigen Segel ankam, das wir erst einmal bei mir zu Hause im Arbeitszimmer deponierten, habe ich schon blöd geguckt. Ich hatte mir ein Segel schlichtweg anders vorgestellt. Ihr lacht jetzt, aber ich hatte ja in meinem ganzen Leben noch keines angefasst und ne 360°-Tasche auch nicht. Dass sich das Material komplett anfühlt wie Plastik, damit habe ich einfach nicht gerechnet. Es ist starr und rutschig und knittert so ein bisschen vor sich hin, genau wie Tyvek, ein Material aus Polyethylen, das z. B. als Innenfutter von Briefumschlägen eingesetzt wird. Damit habe ich schon einmal gearbeitet und mir schwante, dass die gewünschte Segeltuchtasche eine Herausforderung werden wird.

Ich fing also an, indem ich einen vorhandenen Schnitt an den Kundenwunsch anpasste, schnitt dann auf dem Fußboden herumrutschend das Segel zu und fing an, den Korpus bestehend aus fünf Schnittteilen und Baumwollpaspel zu nähen. Danach war ich reif für ein großes Glas Wein mit anschließender Bettruhe. Wie krass war das denn? Ständig wollte mir das Material wegflutschen, Wonderclips hielten erst gar nicht (und die halten sonst immer), Nadeln konnte ich nicht verwenden, kurz: Ohne ständiges Festhalten, Justieren und Nadelversenken, wenn man umgreifen musste, ging GAR NICHTS.
Meine Kollegin in der Schneiderei hatte mir schon, als sie das Segel erblickte, viel Spaß gewünscht und meine Vermieterin meinte nachdem ich fertig war: ‚Ja, ne, Tina, das nächste Mal gehst du aber an die Industriemaschine mit so nem Zeug‘. Das mache ich auch, verlasst Euch drauf!

Es tat echt gut sich im Anschluss an diesen Kampf auf bekanntem Terrain zu bewegen und ein Innenfutter mit Laptopeinschub, Reißverschlusstasche, Einstecktasche und großem Zipper zu nähen. Aus Wachstuch wohlgemerkt, da kenne ich mich besser aus.

Als das erledigt war, hatte ich erst einmal Segeltuchpause, weil der gewünschte Gurt für die Tasche noch nicht da war. Und Bammel hatte ich auch vorm Zusammennähen des Korpus und des Innenfutters, ich musste mich da ungelogen vorher mental drauf vorbereiten, damit ich hinterher nicht wieder Wein trinken und ins Bett gehen muss.
Und es hat was genutzt: Das Zusammenfügen war dann fast gar nicht schlimm und hat mich kaum Nerven gekostet. Auch die vorletzte Etappe, das Wenden und Ausformen des Shoppers lief wider Erwarten ohne Kampf und Krampf ab. Das gab mir die Zuversicht, dass ich auch die letzte Etappe, das knappkantige Absteppen des oberen Taschenrandes, vom Stichbild her perfekt hinbekommen würde. Es ist mir bis auf wenige Stiche auch gelungen. Und ein zweiter Taschenwunsch aus Segeltuch steht auch noch aus. Wir freunden uns schon noch an, wir zwei!

Wer jetzt aber ob meiner Näherei etwas abgeschreckt ist, dem muss ich dieses Material natürlich wieder näher bringen, denn ein Segel ist ja mitunter ein weitgereistes Teil mit Geschichte, was ja an sich schon eine famose Sache ist.
Segeltuch vernähen geht also auch etwas souveräner und unaufgeregter, wie z. B. bei ‚Made in Minga‘ aufm Blog. Dort findest Du die Anleitung für eine, wie ich finde, ziemlich großartige Umhängetasche aus Segeltuch, und dort in München halten auch irgendwie die Wonderclips besser. ;)

Nachtrag vom 4. März 2018:
Ich habe eine Erklärung bekommen, warum ich bei der Anfertigung der Tasche so mit dem Material gekämpft habe. Bei dem verarbeiteten Tuch handelt es sich um ein sehr starkes Segel, das in der Regel für Regatten eingesetzt wird. In der Beschaffenheit der Segel gibt es also durchaus Unterschiede, die sich in der Flexibilität des Materials niederschlagen. Wieder was gelernt, Herrschaften! :)


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